AUFBRÜCHE IN DIE DIGITALE GESELLSCHAFT
Ein Forschungsprojekt des Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung
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Frank Bösch im TAZ-Interview: „Big Data erfordert andere Fragen“.
Im Digitale Zeitalter fallen eine riesige Menge unterschiedlicher Daten in kürzester Zeit an. Produziert werden sie von den verschiedensten Akteuren, von Unternehmen über Wissenschaftler bis hin zu den Maschinen selbst. Welche Auswirkungen hat „Big Data“, wie das Phänomen auch genannt wird, für den quellensuchenden Historiker in der Post-Snowden Ära? Unser Projektleiter Prof. Dr. Frank Bösch gab dazu in TAZ ein Interview mit dem Titel: „Big Data erfordert andere Fragen“ (als PDF abrufbar). Sein klares Statement:
Die Rückkehr zur Schriftlichkeit mit der Verbreitung der digitalen Kommunikation, E-Mails etc. bedeutet für die Geschichtswissenschaft zunächst einmal eine Verbesserung, weil viel von der mündlichen Kommunikation […] verschriftlicht wird. [Der neue] Selbstdarstellungsdrang, der immens viel Gedrucktes produziert […] erfordert andere Fragestellungen, nicht mehr alles Überlieferte zu lesen, Arbeiten mit Stichworten und digitalen Suchstrategien, um Begriffe und Themen rauszusieben.
Das Interview ist auch online unter dem Titel „Historiker über Archive und Überwachung„.
Bildrechte: © Martin Schmitt
Überwachung und Kontrolle im Theater
Eine ganz neue Herangehensweise an das Thema staatlicher Überwachung und Kontrolle bietet das Theaterexperiment „yoUturn“, das diese Woche (16.-19.10.2014) in Berlin stattfindet. Darin lässt die Regisseurin in Kooperation mit den Reportern ohne Grenzen die Theaterbesucher auf einer Jagd durch Berlin am eigenen Leib mit den Mitteln des Theaters spüren, was staatliche Überwachung für den einzelnen Menschen bedeutet hat. Es sind Fragen die in engem Zusammenhang zu unserem Projekt Staatlichen Überwachung in der BRD und der DDR in Bezug auf den Computereinsatz stehen, mit der sich die Regisseurin hier auseinandersetzt:
„Wie wirkt sich die Erfahrung, überwacht zu werden, auf den einzelnen Menschen aus? Wie schützt der Einzelne seine Privatsphäre? An welchen Punkten sind wir selbst längst Teil der Kontrollgesellschaft? Welcher Methoden bedienen sich die unterschiedlichen Überwachungsorgane?“
Mehr Informationen zum Theaterstück gibt es auf der Seite der Reporter ohne Grenzen. Die Sendung Breitband vom Deutschlandradio Kultur hat sich in einem langen Beitrag („Verfolgt auf Schritt und Tritt“) mit dem Stück beschäftigt und bietet einen spannenden Eindruck von dessen Ablauf.
von Martin Schmitt.
Bildrechte: © Martin Schmitt
ARD-alpha sendet Historyslam am 21.10 um 19 Uhr
Auf dem 50. Deutschen Historikertag, der vom 23.-26.09.2014 in Göttingen stattfand, gewann unserer Projektmitarbeiterin Julia Erdogan den Publikumspreis des History Slams. ARD-alpha sendet nun am 21.10.2014 um 19:00 Uhr einen Beitrag über den History Slam mit dem Titel „Historiker, Hacker und Heimwerker“. ARD-alpha ist der Bildungskanal der ARD und per Livestream im Internet frei zu empfangen. Zudem ist der Sender digital flächendeckend in Deutschland über das Kabelnetz und auch über Satellit und IPTV empfangbar. Nach der Ausstrahlung ist der History Slam in der Mediathek verfügbar.
Bildrechte: By Bayrischer Rundfunk (selfmade with Inkscape) [Public domain], via Wikimedia Commons. Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AARD_alpha.svg
Vintage Computing Festival Berlin
Lochkarten lochen, Computerspiele spielen und Assemblercode coden. Beim Vintage Computing Festival VCFB, das vom 3. – 5. Oktober im Berliner Pergamon-Palais stattfand, konnte man am Wochenende in die Zeit eintauchen, als Computer noch verstanden und nicht nur bedient werden wollten. Die Veranstalter, der Verein afra und der Lehrstuhl für Medientheorie der HU Berlin, hatte ein umfangreiches Programm zusammengestellt, dass von Vorträgen über Bastel- und Lötecke bis hin zu einer Führung durch die Medientechnische Sammlung der HU reichte. Sie boten den interessierten Besuchern, vom Studenten, Zeitzeugen über jungen Familien bis hin zu dem Computerexperten, einen Überblick über die zahlreichen Verwendungsweisen alter Rechenanlagen, Computer und Modems.
Ein Handlocher der Firma LAMPERTZ, der „PDA der 1950er-Jahre.“ Foto: Martin Schmitt„Die Zeit der Lochkarten war eine Zeit der Datensparsamkeit“, so Hans Franke, Initiator des des Vintage Computing Festivals. Ursprünglich Energiananlagenelektroniker, sattelte er früh auf das Programmieren um. In diesem Jahr führte er einen LAMPERTZ Handlocher vor, den „PDA der 1950er-Jahre“, so Franke, auf der ein Manager die Lochungen seiner Mitarbeiter kontrollieren und korrigieren konnte. Auf dem VCF konnten die Besucher mit ihm auf eigene Lochkarten lochen, was ihnen gerade einfiel. Die meisten gingen freudestrahlend mit einer Lochkarte nach Hause, auf der ihr Name codiert war. Die Daten eines Münchner Bürgers, erklärte Franke beispielsweise, mussten auf ein bis zwei Lochkarten passen, sodass nur die notwendigsten Daten erhoben wurden. Für mehr war schlicht kein Platz.
Datensparsamkeit gilt zwar heute noch immer als gute Programmierkunst. In Zeiten von Big Data und dem immer stärkeren Wunsch ubiquitärer Speicherbarkeit wird dies allerdings nur zu oft ignoriert. Welche Tücken die Technik bot, konnten Menschen berichten, deren neuer Doppelname nach der Hochzeit schlicht zu lang für die Verwaltung mit dem Computer war. Es ist ein gutes Beispiel für die Vorgaben, die einerseits aus den Limitationen der Technologie, aber andererseits auch aus der menschlichen Interpretation dieser Begrenzungen heraus resultieren. Auf größerer Ebene gaben diese Einschränkungen beispielsweise vor, was von einem Verdächtigen in den 1970er-Jahren gespeichert wurde, welche Daten für die Ermittlung der Rente erfasst oder welche Vorgänge der Kunde wie an einem Geldautomaten ausführen konnte.
Darüber hinaus gab es zahlreiche alte Technik in Aktion zu erleben. Dies reichte von einer PDP11 aus dem Jahr 1970, die wir selbst programmieren durften und zum Abspielen einer Leuchtreihenfolge brachten. Vorgestellt wurde sie von Thomas Höffken und Jörg Hoppe, Mitglieder des Computer Cabinet Göttingen. Die PDP11 war eine der leistungsstärksten und flexibelsten Rechner seiner Zeit. Besonders unter Wissenschaftler war er weit begehrter als die respektiven IBM-Geräte. Eingesetzt wurde sie vor allem als Steuerrechner – auch im Ostblock, wo es zahlreiche Nachbauten gab. Die Recheneinheit der PDP war derartig flexible, dass sie bis weit in die 1990er-Jahre noch in Taschenrechnern eingesetzt wurde. Begeisterung bei den Projektmitarbeitern löste auch eine Implementierung des BTX-Systems der Deutschen Post aus den 1980er-Jahren aus, mit der einige der alten Seiten aufgerufen werden konnte. Unter anderem war die BTX-Webseite des Chaos Computer Clubs abrufbar und gab so einen wertvollen Einblick in die Selbstpräsentation organisierter Hacker.
Von: Martin Schmitt und Julia Erdogan
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