Energieversorgung, Verkehr, Wohnraum und natürlich auch gesundheitlich Fragen sind immer schon Themen der Städteentwicklung gewesen. Problemlösungen werden mittlerweile ganz selbstverständlich mit Computertechnologie gesucht und gefunden. Smart Cities sind das Ziel – eine effektive Nutzung der städtischen Räume und Ressourcen. Die Vielschichtigkeit der computergesteuerten Städte zeigt der zweite Teil einer Dokumentationsreihe bei ARTE zum Thema „Städten der Zukunft“ auf. Die „smarten“ Städte der Zukunft liegen dabei nicht nur in einer kommenden Zeit, sondern wirken heute schon in vielen Bereichen des urbanen Lebens. Wie sehr lässt sich eine Stadt überhaupt steuern? Wie viel Steuerung darf vorgenommen werden, um die Bewohner nicht zu stark zu lenken und Städte nicht in automatisierte Lebenswelten zu verwandeln?
Einmal angenommen: Bei alleinstehenden, ältere Menschen, die ihre Wohnung länger nicht verlassen haben, würde die Compuertechnik dafür sorgen, dass jemand dort nach dem Rechten sieht. Das hört sich erst mal gut an, da so der Person gegebenenfalls geholfen werden kann. Und gleichzeitig ist es beängstigend, denn wer hat vielleicht noch Zugriff auf die Daten und weiß, ob du zu Hause bist? Das vernetzte Zuhause ist Utopie und Dystopie in einem. Das könnte nicht nur eine Stadt der Zukunft sein, sondern ist im heutigen Shanghai schon realisiert. Diebesbanden benutzen heute schon soziale Medien, um ihre Einbrüche zu planen. Postet das Opfer Strandbilder auf Instagram, ist es mit hoher Wahrscheinlichkeit gerade nicht zu Hause.
Seit jeher verbindet sich mit dem Computer das Paradigma, durch Zugang zu Information Ungleichheiten auszumerzen zu können. Zugleich kann die Computertechnologie aber auch als Verstärker ungleicher Verhältnisse wirken. In London hat sie dafür gesorgt, dass die U-Bahn effektiver gesteuert werden kann. In den Stoßzeiten, die mithilfe der Computer genau erfasst werden konnten, sind Tickets nun teurer, um zur Entlastung in dieser Zeit beizutragen. Höhere Einnamen wird die Stadtbahn dadurch mit Sicherheit aber auch beziehen. Zugleich kann diese Maßnahme auch dafür sorgen, dass finanziell schlechter gestellte Personen dadurch noch stärker diskriminiert werden. Pünktlichkeit könnte zu einem geldwerten Privileg werden.
Auf der anderen Seite steht die Entwicklung, Ressourcen dezentral und bedarfsorientiert zu verteilen. Konsumenten können durch neue Technologien zunehmend zu Produzenten werden. Jeremy Rifkin z.B. träumt von einem Energie-Internet. Seine Vision von den Städte der Zukunft besitzen Stromnetze, welche wie das Internet Verknüpfungen herstellen und dadurch jedem die Möglichkeit geben, Strom einzuspeisen oder daraus zu beziehen. Wer träumt nicht von einem rückwärts laufenden Stromzähler? Dabei ist es zugleich ausschließlich auf erneuerbare Energien ausgelegt. Auch dies ist nicht zur Gänze mehr nur eine Zukunftsvorstellung, sondern in Hamburg-Wilhelmsburg bereits realisiert worden.
Neben diesen Fragen nach sozialen, ökonomischen und ökologischen Folgewirkungen sollte eines noch erwähnt sein: Die Ästhetik der Computertechnologie in der Stadt der Zukunft als Visualisierung des Unsichtbaren. Die für die Londoner U-Bahn gesammelten Daten liefern auf dem Computer ein kleines Kunstwerk von Bewegungsströmen und zeigen den „Puls“ der Stadt. Aber sehen Sie selbst…
Text: Julia Erdogan
Video: Arte France