Lochkarten lochen, Computerspiele spielen und Assemblercode coden. Beim Vintage Computing Festival VCFB, das vom 3. – 5. Oktober im Berliner Pergamon-Palais stattfand, konnte man am Wochenende in die Zeit eintauchen, als Computer noch verstanden und nicht nur bedient werden wollten. Die Veranstalter, der Verein afra und der Lehrstuhl für Medientheorie der HU Berlin, hatte ein umfangreiches Programm zusammengestellt, dass von Vorträgen über Bastel- und Lötecke bis hin zu einer Führung durch die Medientechnische Sammlung der HU reichte. Sie boten den interessierten Besuchern, vom Studenten, Zeitzeugen über jungen Familien bis hin zu dem Computerexperten, einen Überblick über die zahlreichen Verwendungsweisen alter Rechenanlagen, Computer und Modems.
Ein Handlocher der Firma LAMPERTZ, der „PDA der 1950er-Jahre.“ Foto: Martin Schmitt„Die Zeit der Lochkarten war eine Zeit der Datensparsamkeit“, so Hans Franke, Initiator des des Vintage Computing Festivals. Ursprünglich Energiananlagenelektroniker, sattelte er früh auf das Programmieren um. In diesem Jahr führte er einen LAMPERTZ Handlocher vor, den „PDA der 1950er-Jahre“, so Franke, auf der ein Manager die Lochungen seiner Mitarbeiter kontrollieren und korrigieren konnte. Auf dem VCF konnten die Besucher mit ihm auf eigene Lochkarten lochen, was ihnen gerade einfiel. Die meisten gingen freudestrahlend mit einer Lochkarte nach Hause, auf der ihr Name codiert war. Die Daten eines Münchner Bürgers, erklärte Franke beispielsweise, mussten auf ein bis zwei Lochkarten passen, sodass nur die notwendigsten Daten erhoben wurden. Für mehr war schlicht kein Platz.
Datensparsamkeit gilt zwar heute noch immer als gute Programmierkunst. In Zeiten von Big Data und dem immer stärkeren Wunsch ubiquitärer Speicherbarkeit wird dies allerdings nur zu oft ignoriert. Welche Tücken die Technik bot, konnten Menschen berichten, deren neuer Doppelname nach der Hochzeit schlicht zu lang für die Verwaltung mit dem Computer war. Es ist ein gutes Beispiel für die Vorgaben, die einerseits aus den Limitationen der Technologie, aber andererseits auch aus der menschlichen Interpretation dieser Begrenzungen heraus resultieren. Auf größerer Ebene gaben diese Einschränkungen beispielsweise vor, was von einem Verdächtigen in den 1970er-Jahren gespeichert wurde, welche Daten für die Ermittlung der Rente erfasst oder welche Vorgänge der Kunde wie an einem Geldautomaten ausführen konnte.
Darüber hinaus gab es zahlreiche alte Technik in Aktion zu erleben. Dies reichte von einer PDP11 aus dem Jahr 1970, die wir selbst programmieren durften und zum Abspielen einer Leuchtreihenfolge brachten. Vorgestellt wurde sie von Thomas Höffken und Jörg Hoppe, Mitglieder des Computer Cabinet Göttingen. Die PDP11 war eine der leistungsstärksten und flexibelsten Rechner seiner Zeit. Besonders unter Wissenschaftler war er weit begehrter als die respektiven IBM-Geräte. Eingesetzt wurde sie vor allem als Steuerrechner – auch im Ostblock, wo es zahlreiche Nachbauten gab. Die Recheneinheit der PDP war derartig flexible, dass sie bis weit in die 1990er-Jahre noch in Taschenrechnern eingesetzt wurde. Begeisterung bei den Projektmitarbeitern löste auch eine Implementierung des BTX-Systems der Deutschen Post aus den 1980er-Jahren aus, mit der einige der alten Seiten aufgerufen werden konnte. Unter anderem war die BTX-Webseite des Chaos Computer Clubs abrufbar und gab so einen wertvollen Einblick in die Selbstpräsentation organisierter Hacker.
Von: Martin Schmitt und Julia Erdogan