STAATLICHE KONTROLLE IN DER DIGITALEN GESELLSCHAFT.

Der Computerausbau in west- und ostdeutschen Polizeibehörden und Nachrichtendiensten, ca. 1965-1990.

Projektbearbeiter: Dr. Rüdiger Bergien

In beiden deutschen Staaten nutzten Polizeibehörden und Nachrichtendienste Computer besonders frühzeitig und umfassend. In beiden Fällen verlief die Computereinführung in analogen Phasen: Sie begann noch in den 1960er Jahren mit dem Ausbau von Rechenzentren und zentralen Datenbanken und setzte sich mit der Verbreitung von Terminals in nachgeordneten Dienststellen im Laufe der 1970er Jahre fort. Und so weitgehend sich die konkreten Ziele der „digitalen Überwachung“ in Demokratie und Diktatur auch unterschieden: In beiden Fällen waren mit der Computereinführung Utopien gesellschaftlicher Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten verknüpft, die in Westdeutschland seit den späten 1970er Jahren auf zivilgesellschaftlichen Protest stießen und denen in der DDR Anfang 1990 der zentrale „Runde Tisch“ dramatisch widersprach, indem er die öffentliche Vernichtung der Datenbanken des MfS anordnete.

Das Vorhaben nimmt diese Analogien zum Ausgangspunkt für eine vergleichende Untersuchung des Computereinsatzes des Ministeriums für Staatssicherheit, des Bundeskriminalamts sowie des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Es untersucht anhand der konkreten Arbeitspraxis dieser Behörden, wie der Computereinsatz Organisationsstrukturen, Kommunikationskanäle und, nicht zuletzt, Fahndungs- und Überwachungspraktiken veränderte. Es geht davon aus, dass die Computereinführung in Ost und West nicht nur Effizienzgewinne und Ermittlungserfolge brachte, sondern dass diese die Behörden auch auf in nicht-intendierte Weise veränderte: Sie führte zu einer Verschiebung von internen Hierarchien und der  Neuformierung der „Informationsgemeinschaften“ derjenigen, die Zugang zu exklusiven Wissensbeständen hatten. Schließlich veränderte sie die „mental maps“, die die Polizisten und Geheimdienstler von den sie umgebenden Gesellschaften besaßen. Inwieweit dieser Veränderungen auch die Organisationskulturen der Behörden und deren Rolle im jeweiligen politischen System berührten, zählt zu den Leitfragestellungen des Projekts.

ESER-Rechner des MfS

ESER-Rechner des MfS Mitte der 1980er-Jahre. (Foto: BStU, MfS, Abt. XIII, Fo Nr. 2, Bild 2)

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