Die Einführung der elektronischen Datenverarbeitung in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Projektbearbeiter: Thomas Kasper
Der Sozialstaat gilt bis heute nicht nur als einer der zentralen Faktoren für die Stabilisierung und Integration der deutschen Nachkriegsgesellschaft, sondern auch als einer der Wegbereiter für eine flächendeckende „Verwaltungsautomation“, mit der die elektronische Datenverarbeitung auch Einzug in die gesetzliche Rentenversicherung erhielt. Obwohl schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts Rechenmaschinen zur Rentenberechnung verwendet wurden, machte gerade die große Rentenreform von 1957, die mit der Einführung des Umlageverfahrens und der Dynamisierung der Beiträge als besondere Zäsur im deutschen Sozialstaat gilt, eine umfangreiche Umstellung auf Lochkartenleser und Datenverarbeitungsanlagen der ersten Generation notwendig.
Parallel zur „Expansion des Sozialstaats“ seit Mitte der 60er Jahre stieg auch das Anforderungsvolumen an die Rechentechnik: mit der flächendeckenden Vergabe von Versichertennummern und der Einführung einer integrierten Datenverarbeitung, die eine on-line-Dateneinsicht gewährleisten sollte, nahm die Verwendung von Computertechnologie in der Rentenversicherung weiter zu. Gleichzeitig schürte die zunehmende Verbreitung der Rechenmaschinen und die damit verbundene Bildschirmarbeit allerdings die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und einer Entwertung der eigenen Qualifikation.
Das Forschungsprojekt versucht am Beispiel der gesetzliche Rentenversicherung zu erforschen, welchen Einfluss die Computerisierung auf den Sozialstaat hatte und ob sie als „Schrittmacher“ für politische Entscheidungen diese erst ermöglichte. Gerade die als „radikale qualitative Aufwertung des Sozialstaats“ (Hans Günter Hockerts) verstandene Rentenreform von 1957, aber auch die sozialpolitischen Entscheidungen der Reformära – die 1972 in einer ähnlich epochemachenden Rentenreform kulminierte – wären ohne die technischen Fortschritte kaum durchführbar gewesen.
Zudem sollen die mit der Einführung von Computer- und Bildschirmarbeit verbundenen Veränderungen im Arbeitsprozess analysiert und in die von Rationalisierung, Dequalifikation und „Entmenschlichung“ geprägte Debatte des Wandels der Arbeitswelt eingegliedert werden.
Schließlich soll auch die Diskussion um die wirkungsvolle Umsetzung des Datenschutz in den Blick genommen werden, die sich vor allem bei der Einführung des Sozialversicherungsausweises und der Versicherungsnummer entfachten und damit in die Diskurse um die geforderte „informationelle Selbstbestimmung“ einbetten lassen.